Fluch oder Segen? Bruno Brändli liefert Antworten auf die Frage, ob KI den Fachkräftemangel in der Baubranche bekämpft oder befeuert


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In einer Branche, die von handwerklichem Geschick und traditionellen Techniken geprägt ist, bringt die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) und digitalen Technologien sowohl Herausforderungen als auch Chancen.

Bruno Brändli, ein Experte in der Personalvermittlung und Teil der Flexsis AG, teilt seine Einsichten zu den tiefgreifenden Veränderungen in der Baubranche. Mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung an der Schnittstelle zwischen Arbeitskraft und Arbeitsmarkt beleuchtet Brändli das Potenzial der KI, den Fachkräftemangel zu adressieren, und diskutiert, wie sich Berufsbilder und Anforderungen im Handwerk verändern. Dabei hebt er die Bedeutung der Weiterbildung und Anpassungsfähigkeit hervor, um in einer zunehmend digitalisierten Welt bestehen zu können.

Bruno, kannst du den Leser:innen einen Überblick über deine Person und Tätigkeit verschaffen?

Mein Name ist Bruno Brändli. Ich verfüge über 20 Jahre Erfahrung in der Beratung und Vermittlung von Arbeitskräften wie auch Spezialisten in sämtlichen Hierachiestufen und bin seit 19 Jahren Teil der Flexsis Schweiz, welche bis letztes Jahr noch Global Personal Partner AG hiess. Nach meiner Lehre als Forstwart, habe ich mich kaufmännisch weitergebildet und im Nachgang den Abschluss als HR-Fachkraft absolviert.

Du hast am InnoCraft Symposium 2024, dem Handwerkerforum, teilgenommen, wo unter anderem über die Themen Personalmangel und Künstliche Intelligenz in der Handwerksbranche gesprochen wurde. Wie würdest du diese zwei Themen miteinander in Verbindung bringen? Und weshalb interessiert dich das Thema Künstliche Intelligenz?

Ich sehe in der Künstlichen Intelligenz sowohl Fluch als auch Segen. Im handwerklichen Umfeld, das stark von manueller Arbeit geprägt ist, wird der technische Fortschritt kritisch beobachtet. KI hat definitiv ein grosses Potenzial, Ressourcen freizusetzen und somit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Mich interessiert KI, da sie eine natürliche Weiterentwicklung der letzten 20 Jahre darstellt, angefangen beim Computer über Smartphones bis hin zum nächsten Schritt, der die Menschheit in ihren Denkprozessen unterstützt.

Eine Studie des Schweizerischen Baumeisterverbands SBV SSE SSIC aus dem Jahr 2023 zeigt, dass bis 2040 ein Defizit von 5600 Fachkräften zu erwarten ist. In der neuesten Einschätzung gewinnt deshalb die Anwendung von neuen Technologien an Bedeutung. Kannst du diese Einschätzung einordnen?

Die Studie legt nahe, dass wiederkehrende Tätigkeiten, die genügend Spielraum bieten, automatisiert werden können. Dadurch könnten sich Spezialisierungen und Fachkräfte auf Aufgaben konzentrieren, die möglicherweise noch nicht von KI übernommen werden können, entweder aufgrund fehlender Daten oder weil sie unseren Ansprüchen nicht genügen.

Wird der Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Antwort auf die Frage, wie wir den Fachkräftemangel auf Schweizer Baustellen bewältigen, liefern?

Meiner Meinung nach ist KI ein wichtiger Baustein im Gesamtkonzept, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Sie als Allheilmittel zu betrachten, halte ich jedoch für überholt.

Trends zeigen, dass in der Logistik und in der Fertigungsindustrie autonome Geräte, also Robotik und KI-gesteuerte Maschinen, Arbeitskräfte ersetzen können. Wo auf einer Baustelle könnte in Zukunft solch eine Maschine deiner Meinung nach zum Einsatz kommen?

Ich sehe vor allem in der Vorfertigung zu Beginn in den seriellen Tätigkeiten des Handwerks ein Potenzial. Die Herausforderung in der Schweiz ist der begrenzte Raum. Für den Neubau fehlt oft die Fläche für grosse Roboter oder 3D-Drucker. Dennoch, einmal errichtet, könnten im Inneren des Gebäudes verschiedene KIs zum Einsatz kommen. Bereits jetzt gibt es Roboter für Abrissarbeiten oder in den Bereichen Malerei und Gipserei.

Kennst du Bauunternehmen in der Schweiz, die sich mit den Themen Automatisierung, Robotik und Künstliche Intelligenz auseinandersetzen oder bereits einsetzen? Wenn ja, in welchem Bereich und in welchem Umfang?

Ja, ein Kunde von Flexsis testet bereits den Einsatz eines 3D-Druckers für die Herstellung einfacher Gebäudehüllen, allerdings sind es bis anhin nur einfache Geometrien.

In den USA wird ein Robotersystem für den modularen Bau eingesetzt, und auch der Malerroboter wurde von einer israelischen Firma entwickelt. Wie vergleichst du diese internationalen Trends mit den Entwicklungen in der Schweizer Baubranche?

In der Schweiz profitieren wir von einem Reichtum an Ingenieuren und fortschrittlichen Hochschulen, insbesondere in den Planungsphasen. Ich erwarte zahlreiche Fortschritte, die momentan aber noch kritisch in der Branche betrachtet werden. Wenn diese Technologien ihre Tauglichkeit unter Beweis stellen, wird deren Einführung und Einsatz zügig voranschreiten.

Können solche neuen Technologien traditionelle Berufe wie den Maler verdrängen?

Nein, ich gehe nicht davon aus, dass traditionelle Berufe verdrängt werden, sondern dass sich deren Berufsbilder verändern werden. Angesichts der vielen denkmalgeschützten Gebäude und der Vielfalt an Bauvorschriften auf kommunaler, kantonaler und staatlicher Ebene, kann ich mir schwer vorstellen, dass ein vollständiger Ersatz traditioneller Handwerksberufe durch Robotik möglich ist.

Inwiefern werden sich die Berufe und das Jobprofil für Arbeiten in der Bau- und Handwerksbranche verändern?

Ich zitiere gerne aus dem Handwerkersymposium: «KI ist beeindruckend, aber Denken bleibt die Königsklasse.» KI basiert auf menschlichen Erfahrungen, und der Computer kann schnell das Beste aus diesen Erfahrungen herausfiltern und Optimierungen vorschlagen. Die Entwicklungen in der generativen KI sind besonders spannend, stehen aber noch am Anfang. Sicherlich wird sich alles, was einen repetitiven Charakter hat und immer gleich ausgeführt wird, verändern. Auch wenn ich selbst kein Ingenieur bin, glaube ich, dass der Begriff Handwerkskunst weiterhin seine Berechtigung hat. Kunst erfordert umfangreiche und vielfältige Erfahrungen, die nicht so schnell durch KI ersetzt werden können.

Welche neuen Berufsprofile und Qualifikationen entstehen durch den Einsatz von KI-Technologien in der Baubranche? Und wie passt sich Flexsis diesen Veränderungen an?

Der Einsatz von Technologien ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, auch für unsere temporären Mitarbeitenden. Die Nutzung von Smartphones für die Zeiterfassung oder den Zugang zum Intranet ist ein Beispiel dafür. Unabhängig vom Bildungsniveau sollte man neuen Technologien gegenüber offen sein. Ich bin zuversichtlich, dass es weitere Schulungsangebote geben wird, um den Umgang mit diesen Technologien zu erlernen.

Was können Unternehmen, also unsere Kunden, tun, um zu verhindern, dass Technologisierung zum Verlust von Arbeitsplätzen führt?

Es geht darum, was unsere Kunden erreichen möchten. Die Ausfallrate von Menschen ist bereits höher als die von roboterunterstützten Arbeiten. Ich habe viele Gespräche mit Kunden geführt, die dem Einsatz von Robotern skeptisch gegenüberstehen, da letztendlich auch die soziale Gemeinschaft und das gesamtwirtschaftliche Bruttoinlandsprodukt berücksichtigt werden müssen. Wir haben eine grosse Anzahl an Menschen, die in weniger gebildeten Segmenten arbeiten und ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Diese Menschen müssen wir bei neuen Entwicklungen mitnehmen und ihnen Zugang zum Arbeitsmarkt sowie Möglichkeiten zum Lernen bieten.

Wie unterstützt Flexsis die temporären Mitarbeitenden in der Bau- und Handwerksbranche bei der Anpassung an die neuen technologischen Anforderungen?

Als Arbeitgeber ist es unsere Aufgabe, Trends kontinuierlich zu beobachten und zu verstehen, was der Markt verlangt. Wir setzen uns bei unserer Organisation Temptraining für Weiterbildungen ein, um sicherzustellen, dass unsere Mitarbeitenden die notwendigen Werkzeuge für ihren Einsatz erhalten. So bleiben wir ein attraktiver Arbeitgeber sowie Sparringpartner für unsere Kunden im Bereich der Temporärarbeit und Fachkräftevermittlung.

Welche Rolle spielt Flexsis der Schaffung eines Gleichgewichts zwischen menschlichen Arbeitskräften und Maschinen während der digitalen Veränderungen in der Baubranche?

Wir sind Expert:innen für Menschen. Unser Kerngeschäft ist und bleibt die Bereitstellung von manueller Arbeitskraft: Wir bringen Mitarbeitende in den Verleih oder in eine Festanstellung. Dass diese die nötigen Werkzeuge zum Einsatzort mitbringen, sehen wir als unsere Verantwortung. Unser Geschäftsfokus liegt aber auf der Vermittlung von Arbeitskräften, nicht auf der Bereitstellung von Werkzeugen in digitaler Form.